Wir leben in der Seumestraße 14 in Berlin-Friedrichshain. Wir sind Handwerker, AkademikerInnen, Reinigungskräfte, Verwaltungsfachangestellte, Künstlerinnen, Altenpfleger, VerkäuferInnen, Hartz4-EmpfängerInnen, selbstständig oder festangestellt. Wir sind bereits in Rente oder besuchen erst die KiTa. In 30 Wohnungen leben wir als Familien, Singles oder in Wohngemeinschaften. Einige von uns wohnen erst seit kurzem hier, andere seit Jahrzehnten oder seit ihrer Geburt vor über 70 Jahren. In unseren Pässen stehen unterschiedliche Herkunftsländer. Lange hatten wir nur wenig Kontakt untereinander – zu unterschiedlich waren unsere Lebenswelten. Doch dann erfuhren wir, dass unser Haus an einen Investor verkauft werden sollte. Die Sorge, dass wir alle unser Zuhause verlieren könnten, hat zu großer Solidarität untereinander geführt. Denn in unserer Gegend werden Wohnungen immer seltener als Orte angesehen, die Menschen ein Zuhause geben, sondern als gewinnbringende Wertanlagen, in denen MieterInnen, die im ständigen Preiskampf um Wohnraum nicht mithalten können, nur stören. Die Verdrängung einkommensschwacher Schichten aus dem Kiez ist die Folge.
Mit viel Engagement und Kraft gelang es uns, das Haus dem Investor vor der Nase wegzuschnappen und selbst zu erwerben. Dadurch wurde es nachhaltig dem Spekulationsmarkt entzogen und in die Selbstverwaltung der MieterInnen überführt.
Aus dem Nebeneinander der Menschen im Haus ist ein Miteinander geworden.
Die Seumestraße 14 wird nun für immer ein Mietshaus bleiben, an dem sich niemand mehr persönlich bereichern kann. Mieten dienen nur noch zur Tilgung der Kredite und der Instandhaltung. Dadurch ist es uns gelungen, über Generationen hinweg günstigen Wohnraum mitten in Berlin zu sichern. Und wenn eine Wohnung frei wird, wird bei der Wahl der Nachmietenden nicht auf Status oder eine bestimmte Einkommenshöhe geachtet, es steht der soziale Aspekt im Vordergrund.
Das Finanzierungsmodell
Um das Haus dem Spekulationsmarkt zu entziehen, mussten wir es kaufen. Bei einem Kaufpreis von 2,6 Millionen Euro und mehreren hunderttausend Euro Nebenkosten gar nicht so einfach. Schließlich verfügt niemand von uns über viel Geld. Das größte Problem für Projekte wie unseres ist es, das nötige Eigenkapital aufzubringen, mit dem man erst die Chance hat, von einer Bank einen Immobilien-Kredit zu bekommen, dessen Höhe den Hauskauf überhaupt erst ermöglicht. Deshalb waren und sind wir auf Menschen angewiesen, die uns ihr Geld leihen. Meistens sind das kleine Kredite ab 500 Euro aufwärts, die über eine bestimmte Laufzeit zwischen 0% und bis zu 1,5% verzinst sind und durch die Mieteinnahmen gedeckt werden.
Und siehe da: InvestorInnen haben zwar Hunderttausende von Euros auf dem Konto, die sie gewinnbringend anlegen wollen, aber ein Mietshaus mit vielen BewohnerInnen hat dafür Hunderte gute FreundInnen, die es unterstützen können. So gelingt es auch Mietgemeinschaften ohne hohes Einkommen, Investmentgroups die Stirn zu bieten.
Entprivatisiert und unverkäuflich
Niemand von uns hat das Haus privat erworben. Stattdessen haben wir eine GmbH gegründet, die durch einen Hausverein, in dem die BewohnerInnen Mitglied sind, kontrolliert wird. Dadurch entscheiden die MieterInnen alle hausrelevanten Schritte auf regelmäßigen Versammlungen selber.
Das Logo der Seume14 GmbH & das des Hausvereins Seume14 e.V.:
Wir haben zwei Mechanismen eingebaut, die verhindern, dass unser Haus zum Spekulationsobjekt werden kann:
Zum einen arbeiten wir mit der gemeinnützigen Stiftung Edith Maryon zusammen, in deren Besitz der Boden jetzt unverkäufl ich liegt.
Zum anderen sind wir Teil des bundesweiten Mietshäuser Syndikats, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Wohnraum dem Spekulationsmarkt zu entziehen und bereits über 190 Häuser entprivatisierte.
Das Mietshäuser Syndikat ist neben unserem Hausverein der zweite Gesellschafter der GmbH. Bei fast allen Fragen ist unser Hausverein, also die BewohnerInnen, alleiniger Entscheider. Wenn es aber um den Verkauf der Seumestraße 14 oder die Umwandlung in Eigentumswohnungen ginge, müsste das Mietshäuser Syndikat zustimmen. Dessen Statuten schließen aber eine Zustimmung dazu aus.
Diese doppelte Absicherung bedeutet, dass es auch in zwei, drei Generationen, selbst wenn keine der InitiatorInnen unseres Projektes mehr im Haus wohnt, unmöglich sein wird, die Immobilie oder den Boden zurück in Privatbesitz zu führen oder gar damit zu spekulieren. Das ist uns in Anbetracht der Preisentwicklung für Immobilien in Ballungszentren wie zum Beispiel Berlin besonders wichtig.
Seume14 e.V.
Seumestraße 14
10245 Berlin
info@seume14.org
Vorstand:
Florian Mehlem,
Birgit Ziener
Seume14 GmbH
Seumestr. 14
10245 Berlin
Geschäftsführung:
Dennis Saadan,
Antonia Furmanski,
Louise Junge,
Claudia Kopic,
Holger Sorgatz,
HRB 181768 B